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„Ortskräfte”: Lässt der Bund afghanische Bundeswehr-Helfer im Stich?

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Im Afghanistan-Untersuchungs-Ausschuss des Bundestags geht es heute um die Evakuierungsaktion im August 2021. Die Frage ist, ob der Bund einheimische Helfer der Bundeswehr, die sogenannten „Ortskräfte“, im Stich gelassen hat. Aussagen sollen der frühere Außenminister Maas und der ehemalige Entwicklungsminister Müller. Qais Nekzai vom Verein „Patenschaftsnetzwerk Ortskräfte“ erklärt im Gespräch mit SWR-Aktuell-Moderator Andreas Böhnisch, warum die Definition, wer Ortskraft war, geändert werden müsse. SWR Aktuell: Sie haben Kontakt zu etwa 200 ehemaligen Ortskräften in Afghanistan, die eine Zusage haben, nach Deutschland einreisen zu dürfen. Wie geht es denn diesen Männern und Frauen und deren Kindern? Qais Nekzai: Leider ist die Situation der Ortskräfte gerade sehr schlecht. Viele befinden sich in einer äußerst schwierigen Lage. Einige wurden vom Ortskräfteverfahren ausgeschlossen, während andere auf ihre Ausreise warten. Und diese Unsicherheit und die prekären Lebensbedingungen machen die Situation leider für sie besonders herausfordernd. SWR Aktuell: Welche Möglichkeiten haben Sie mit Ihrem Patenschaftsnetzwerk, diese Menschen dort in Afghanistan zu unterstützen? Qais Nekzai: Wir stehen zurzeit mit vielen Ortskräfte in Kontakt, die eine Aufnahmezusage erhalten haben und auf ihre Ausreise warten. Aber zurzeit können wir leider als Patenschaftsnetzwerk aufgrund finanzieller Mittel dieser Menschen nicht bei ihrer Ausreise unterstützen. Wir haben bisher auch über tausend Menschen bei ihrer Ausreise geholfen - und die sind jetzt in Sicherheit. SWR Aktuell: Aber die, die jetzt dort sind und die Zusage haben, dass sie nach Deutschland einreisen dürfen, Schutz bekommen - die sind ein Stück weit auf sich allein gestellt… Qais Nekzai: Ganz genau. Die Leute, die eine Aufnahmezusage für Deutschland erhalten, müssen selbst entscheiden, wie sie das Land verlassen können. Aber diese Menschen können diese Ausreise leider nicht finanzieren, um das Land zu verlassen. Das ist natürlich eine große Herausforderung für uns alle.
Alle Ortskräfte sind in den Augen der Taliban Verräter, Kollaborateure, Ungläubige

Quelle: Qais Nekzai, Patenschaftsnetzwerk Ortskräfte

SWR Aktuell: Nun gibt es schon seit längerer Zeit Appelle, dass eine Reform der Kriterien notwendig ist, wer als Ortskraft schutzbedürftig ist und nach Deutschland kommen darf. Was fordert Ihre Organisation? Qais Nekzai: Wir fordern seit drei Jahren eine Reformierung des Ortskräfteverfahrens, weil viele Ortskräfte die vor 2013 für deutsche Regierungsorganisationen tätig waren, leider vom Ortskräfteverfahren ausgeschlossen sind. Das heißt, dass sie nicht in dieses Verfahren gehören, sondern nur Menschen, die nach 2013 als Ortskraft für deutsche Regierungsorganisationen tätig waren. Aber in den Augen der Extremisten, der Taliban, spielt es keine Rolle, ob man vor 2013 tätig war oder nach 2013. Alle Ortskräfte sind in ihren Augen Verräter, Kollaborateure, Ungläubige- und aus diesem Grund hätten sie den Tod verdient. Und das ist eine Sache, die uns jahrelang beschäftigt. Aber die Bundesregierung hat sich bisher leider mit diesem Verfahren nicht auseinandergesetzt. Und wir hoffen auch, dass irgendwann bald dieses Verfahren reformiert wird, damit alle Ortskräfte gerettet werden können. SWR Aktuell: Hinzu kommt, dass die Taliban das Prinzip der Sippenhaft anwenden für ehemalige Ortskräfte. Was bedeutet es für die Familien, wo beispielsweise der Vater für die Bundeswehr tätig war? Qais Nekzai: In das Ortskräfteverfahren gehört leider nur diese „Kernfamilie“: Ehefrau oder Ehemann der Ortskraft und die minderjährigen Kinder. Und wir stehen auch mit Hunderten Familien in Deutschland in Kontakt, von denen die volljährigen Kinder in Afghanistan zurückgeblieben sind. Und das ist natürlich mit „Sippenhaft“ gemeint, dass es in den Augen der Taliban keine Rolle spielt. Wenn der Vater für deutsche Regierungsorganisationen tätig war, dann sind die Kinder genauso bedroht und in Gefahr wie die Eltern. SWR Aktuell: In knapp drei Monaten ist die vorgezogene Bundestagswahl. Die Migrationspolitik wird ein Wahlkampfthema sein. Sind das schlechte Aussichten für die ehemaligen deutschen Ortskräfte, die noch in Afghanistan sind? Qais Nekzai: Die Ortskräfte brauchen eine klare Entscheidung, und hier trägt die Bundesregierung eine große Verantwortung, weil sie ihr Leben für den Einsatz der Bundesregierung riskiert haben.
Ortskräfte sind keine Flüchtlinge, sondern ehemalige Angestellte deutscher Regierungsorganisationen

Quelle: Qais Nekzai, Patenschaftsnetzwerk Ortskräfte

SWR Aktuell: Aber worauf ich hinauswill, ist, dass auch die Stimmung in Deutschland im Moment nicht gerade pro Migration von Menschen aus Afghanistan ist… Qais Nekzai: Ortskräfte sind keine Flüchtlinge, keine Asylbewerber, sondern ehemalige Angestellte der deutschen Regierungsorganisationen. Sie haben ihr Leben für den Einsatz der Bundesregierung, für den Einsatz Deutschlands riskiert. Und nur aus diesem Grund sind sie auf der Suche nach Schutz. Hier trägt die Bundesregierung eine große Verantwortung, Deutschland, damit dieser Menschen aktiv unterstützt werden können durch Deutschland oder durch die Bundesregierung.
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Alle Ortskräfte sind in den Augen der Taliban Verräter, Kollaborateure, Ungläubige

Quelle: Qais Nekzai, Patenschaftsnetzwerk Ortskräfte

SWR Aktuell: Nun gibt es schon seit längerer Zeit Appelle, dass eine Reform der Kriterien notwendig ist, wer als Ortskraft schutzbedürftig ist und nach Deutschland kommen darf. Was fordert Ihre Organisation? Qais Nekzai: Wir fordern seit drei Jahren eine Reformierung des Ortskräfteverfahrens, weil viele Ortskräfte die vor 2013 für deutsche Regierungsorganisationen tätig waren, leider vom Ortskräfteverfahren ausgeschlossen sind. Das heißt, dass sie nicht in dieses Verfahren gehören, sondern nur Menschen, die nach 2013 als Ortskraft für deutsche Regierungsorganisationen tätig waren. Aber in den Augen der Extremisten, der Taliban, spielt es keine Rolle, ob man vor 2013 tätig war oder nach 2013. Alle Ortskräfte sind in ihren Augen Verräter, Kollaborateure, Ungläubige- und aus diesem Grund hätten sie den Tod verdient. Und das ist eine Sache, die uns jahrelang beschäftigt. Aber die Bundesregierung hat sich bisher leider mit diesem Verfahren nicht auseinandergesetzt. Und wir hoffen auch, dass irgendwann bald dieses Verfahren reformiert wird, damit alle Ortskräfte gerettet werden können. SWR Aktuell: Hinzu kommt, dass die Taliban das Prinzip der Sippenhaft anwenden für ehemalige Ortskräfte. Was bedeutet es für die Familien, wo beispielsweise der Vater für die Bundeswehr tätig war? Qais Nekzai: In das Ortskräfteverfahren gehört leider nur diese „Kernfamilie“: Ehefrau oder Ehemann der Ortskraft und die minderjährigen Kinder. Und wir stehen auch mit Hunderten Familien in Deutschland in Kontakt, von denen die volljährigen Kinder in Afghanistan zurückgeblieben sind. Und das ist natürlich mit „Sippenhaft“ gemeint, dass es in den Augen der Taliban keine Rolle spielt. Wenn der Vater für deutsche Regierungsorganisationen tätig war, dann sind die Kinder genauso bedroht und in Gefahr wie die Eltern. SWR Aktuell: In knapp drei Monaten ist die vorgezogene Bundestagswahl. Die Migrationspolitik wird ein Wahlkampfthema sein. Sind das schlechte Aussichten für die ehemaligen deutschen Ortskräfte, die noch in Afghanistan sind? Qais Nekzai: Die Ortskräfte brauchen eine klare Entscheidung, und hier trägt die Bundesregierung eine große Verantwortung, weil sie ihr Leben für den Einsatz der Bundesregierung riskiert haben.
Ortskräfte sind keine Flüchtlinge, sondern ehemalige Angestellte deutscher Regierungsorganisationen

Quelle: Qais Nekzai, Patenschaftsnetzwerk Ortskräfte

SWR Aktuell: Aber worauf ich hinauswill, ist, dass auch die Stimmung in Deutschland im Moment nicht gerade pro Migration von Menschen aus Afghanistan ist… Qais Nekzai: Ortskräfte sind keine Flüchtlinge, keine Asylbewerber, sondern ehemalige Angestellte der deutschen Regierungsorganisationen. Sie haben ihr Leben für den Einsatz der Bundesregierung, für den Einsatz Deutschlands riskiert. Und nur aus diesem Grund sind sie auf der Suche nach Schutz. Hier trägt die Bundesregierung eine große Verantwortung, Deutschland, damit dieser Menschen aktiv unterstützt werden können durch Deutschland oder durch die Bundesregierung.
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