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"Definitionen sind Arbeitsinstrumente" – Barbara Stollberg-Rilinger bei Carolin Emcke über Wissenschaftsfreiheit

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In aller Ruhe

Wie frei ist die Wissenschaft in einer krisengebeutelten, postfaktischen Gegenwart? Mehrere Staaten in den USA haben etwa Forschungsgelder im Bereich Genderstudies gekürzt, wollen aber Kreationismus gleichberechtigt zur Evolutionstheorie lehren. Andere Studierende fordern wiederum, Aristoteles wegen seiner Frauenfeindlichkeit aus dem Lehrplan zu streichen. Angesichts dieser Entwicklungen drängt sich bei Carolin Emcke die Frage auf: Wie steht es um die Wissenschaftsfreiheit in Deutschland?

Darüber spricht sie mit Barbara Stollberg-Rilinger, 69, Rektorin des Wissenschaftskollegs zu Berlin. Sie ist Historikerin und hat zwanzig Jahre Geschichte der Frühen Neuzeit an der Universität Münster gelehrt, bevor sie 2018 in Berlin ihre aktuelle Funktion antrat. Das Wissenschaftskolleg ist ein interdisziplinäres Forschungsinstitut, wo bis zu 50 internationale Wissenschaftler forschen, unter ihnen der deutsch-israelische Philosoph Omri Böhm, der den diesjährigen Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung erhielt. Kurzer Transparenzhinweis: Auch Carolin Emcke ist Mitglied der Einrichtung. Sie sitzt ehrenamtlich im Stiftungsrat.

Im Bereich Genderstudies herrscht ein "riesiges Verständnisproblem"

Im Wissenschaftskolleg hospitieren auch Forscher aus repressiven Regimen, die von der hiesigen Forschungsfreiheit profitieren. Ein chinesischer Kollege recherchiert etwa zur Erinnerungskultur des Tiananmen Massakers. Jeden Mittag setzen sich alle Stipendiaten zusammen, um ihre Forschungen zu besprechen.

Dort tauschen sich auch Wissenschaftler aus befeindeten Länder aus, wie Ukrainer und Russen. Obwohl es da zu Beginn auch Irritationen gab, stellt Stollberg-Rilinger fest: Die Differenzen der Wissenschaftler lassen sich hauptsächlich auf die unterschiedlichen Disziplinen zurückführen, und weniger auf die Herkunft. Im Bereich Genderstudies herrscht etwa ein "riesiges Verständnisproblem" zwischen Natur- und Geisteswissenschaftler. Diese Missverständnisse ließen sich nur durch Austausch überwinden, sagt die Rektorin, indem die Forscher sich an bestimmte Standards des Argumentierens und der Empirie halten.

Antisemitismusvorwürfe richten sich "groteskerweise" oft gegen Juden

Grundsätzlich sollten Wissenschaftler in der Lage sein, über alles zu sprechen. Trotzdem gibt es eine "Grenze des Sagbaren". Es müssen also auch Verbote gelten, die Hetze gegen bestimmte Menschengruppen sanktionieren. "Es ist eine Gratwanderung", so die Leiterin, denn solche Verbote werden oft politisch missbraucht. "Es besteht immer die Gefahr, dass man immer nur die eigene Wissenschaftsfreiheit verteidigt und nicht die der Gegenposition." Das sei falsch, sagt die Rektorin: "Wenn Wissenschaftsfreiheit, dann auch grundsätzlich!"

Besonders stark nehme sie das Problem in der Bekämpfung von Antisemitismus wahr. Der Berliner Senat hat im Januar angekündigt, Kulturförderungen an ein Bekenntnis zur Arbeitsdefinition von Antisemitismus der IHRA (International Holocaust Rememberance Alliance) zu knüpfen und hatte sogar überlegt, diese Bedingung auch auf die Wissenschaftsbranche auszuweiten. Die IHRA Definition gilt jedoch als umstritten, weil man damit auch Israelkritik als Antisemitismus einstufen kann.

"Diese Antisemitismusvorwürfe richten sich groteskerweise fast immer gegen jüdische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Künstler und Künstler", merkt Barbara Stollberg-Rilinger an. Sie warnt davor, Definitionen als Dogmen zu sehen: "Definitionen sind keine letzten Wahrheiten, sondern Arbeitsinstrumente." Sie müssen anfechtbar und korrigierbar bleiben, denn nur so bleiben sie wissenschaftlich, sagt die Rektorin.

Empfehlung von Barbara Stollberg-Rilinger

Barbara Stollberg-Rilinger empfiehlt "The Zone of Interest". Der Film über den Auschwitz-Kommandanten Rudolf Höß und seine Ehefrau Hedwig, gespielt von Christian Friedel und Sandra Hüller, gewann dieses Jahr den Oscar für den besten internationalen Film und für den besten Sound. Für Stollberg-Rilinger war es der "erschütterndste" Film, den sie seit Langem gesehen hat. Er sei gleichzeitig überwältigend und aufklärerisch, was man selten zusammenfinde. "Der Zuschauer sieht das Konzentrationslager nicht, er hört es nur." Das sei eine eindrucksvolle Vermittlung dessen, was man "Banalität des Bösen" nennt, sagt die Historikerin. Wie die Verdrängungsleistung ins Bild gesetzt wurde, die hier von der Familie Höß inszeniert wird, aber eigentlich vom ganzen deutschen Volk betrieben wurde, fand sie beeindruckend. "Der Film hängt einem lange nach."

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Darüber spricht sie mit Barbara Stollberg-Rilinger, 69, Rektorin des Wissenschaftskollegs zu Berlin. Sie ist Historikerin und hat zwanzig Jahre Geschichte der Frühen Neuzeit an der Universität Münster gelehrt, bevor sie 2018 in Berlin ihre aktuelle Funktion antrat. Das Wissenschaftskolleg ist ein interdisziplinäres Forschungsinstitut, wo bis zu 50 internationale Wissenschaftler forschen, unter ihnen der deutsch-israelische Philosoph Omri Böhm, der den diesjährigen Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung erhielt. Kurzer Transparenzhinweis: Auch Carolin Emcke ist Mitglied der Einrichtung. Sie sitzt ehrenamtlich im Stiftungsrat.

Im Bereich Genderstudies herrscht ein "riesiges Verständnisproblem"

Im Wissenschaftskolleg hospitieren auch Forscher aus repressiven Regimen, die von der hiesigen Forschungsfreiheit profitieren. Ein chinesischer Kollege recherchiert etwa zur Erinnerungskultur des Tiananmen Massakers. Jeden Mittag setzen sich alle Stipendiaten zusammen, um ihre Forschungen zu besprechen.

Dort tauschen sich auch Wissenschaftler aus befeindeten Länder aus, wie Ukrainer und Russen. Obwohl es da zu Beginn auch Irritationen gab, stellt Stollberg-Rilinger fest: Die Differenzen der Wissenschaftler lassen sich hauptsächlich auf die unterschiedlichen Disziplinen zurückführen, und weniger auf die Herkunft. Im Bereich Genderstudies herrscht etwa ein "riesiges Verständnisproblem" zwischen Natur- und Geisteswissenschaftler. Diese Missverständnisse ließen sich nur durch Austausch überwinden, sagt die Rektorin, indem die Forscher sich an bestimmte Standards des Argumentierens und der Empirie halten.

Antisemitismusvorwürfe richten sich "groteskerweise" oft gegen Juden

Grundsätzlich sollten Wissenschaftler in der Lage sein, über alles zu sprechen. Trotzdem gibt es eine "Grenze des Sagbaren". Es müssen also auch Verbote gelten, die Hetze gegen bestimmte Menschengruppen sanktionieren. "Es ist eine Gratwanderung", so die Leiterin, denn solche Verbote werden oft politisch missbraucht. "Es besteht immer die Gefahr, dass man immer nur die eigene Wissenschaftsfreiheit verteidigt und nicht die der Gegenposition." Das sei falsch, sagt die Rektorin: "Wenn Wissenschaftsfreiheit, dann auch grundsätzlich!"

Besonders stark nehme sie das Problem in der Bekämpfung von Antisemitismus wahr. Der Berliner Senat hat im Januar angekündigt, Kulturförderungen an ein Bekenntnis zur Arbeitsdefinition von Antisemitismus der IHRA (International Holocaust Rememberance Alliance) zu knüpfen und hatte sogar überlegt, diese Bedingung auch auf die Wissenschaftsbranche auszuweiten. Die IHRA Definition gilt jedoch als umstritten, weil man damit auch Israelkritik als Antisemitismus einstufen kann.

"Diese Antisemitismusvorwürfe richten sich groteskerweise fast immer gegen jüdische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Künstler und Künstler", merkt Barbara Stollberg-Rilinger an. Sie warnt davor, Definitionen als Dogmen zu sehen: "Definitionen sind keine letzten Wahrheiten, sondern Arbeitsinstrumente." Sie müssen anfechtbar und korrigierbar bleiben, denn nur so bleiben sie wissenschaftlich, sagt die Rektorin.

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Barbara Stollberg-Rilinger empfiehlt "The Zone of Interest". Der Film über den Auschwitz-Kommandanten Rudolf Höß und seine Ehefrau Hedwig, gespielt von Christian Friedel und Sandra Hüller, gewann dieses Jahr den Oscar für den besten internationalen Film und für den besten Sound. Für Stollberg-Rilinger war es der "erschütterndste" Film, den sie seit Langem gesehen hat. Er sei gleichzeitig überwältigend und aufklärerisch, was man selten zusammenfinde. "Der Zuschauer sieht das Konzentrationslager nicht, er hört es nur." Das sei eine eindrucksvolle Vermittlung dessen, was man "Banalität des Bösen" nennt, sagt die Historikerin. Wie die Verdrängungsleistung ins Bild gesetzt wurde, die hier von der Familie Höß inszeniert wird, aber eigentlich vom ganzen deutschen Volk betrieben wurde, fand sie beeindruckend. "Der Film hängt einem lange nach."

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