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Nach dem Umsturz in Syrien: Melancholie in Moskau

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Russland habe nie die Absicht gehabt, die Regierung in Syrien mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln militärisch zu unterstützen. Diese Botschaft verbreiten Moskauer Medien in diesen – für Russland bitteren – Tagen wie ein Trostpflaster. Moskau hofft derweil, dass es seine syrische Luftwaffenbasis Hmeimim und den Marinestützpunkt Tartus behalten kann, denn sie machen eine Luftbrücke nach Afrika möglich. Auch dort hat Russland Interessen. Aus Moskau berichtet Ulrich Heyden.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Russische Medien erinnern dieser Tage an einen Ausspruch von Putin im Jahr 2015. Damals sagte der russische Präsident, man habe die Regierung in Damaskus zu einem Dialog mit der Opposition aufgerufen. Weiter sagte der Kreml-Chef damals, „wir werden nicht mehr Syrier sein als die Syrier selbst“. Das sollte wohl heißen, dass die Hilfsbereitschaft von Russland nicht grenzenlos ist.

Am Sonntagmittag veröffentlichte das russische Außenministerium eine Erklärung, in der es heißt:

Mit äußerster Besorgnis verfolgen wir die dramatischen Ereignisse in Syrien. Im Resultat von Gesprächen, die B. Assad mit einer Reihe von Teilnehmern des bewaffneten Konfliktes auf dem Boden der Syrischen Arabischen Republik führte, hat er die Entscheidung getroffen, das Präsidentenamt zu verlassen und er verließ das Land und er gab den Befehl, die Machtübertragung friedlich durchzuführen. Russland war an diesen Gesprächen nicht beteiligt. Wir fordern alle an dem Konflikt beteiligten Seiten dringend auf, Gewalt zu vermeiden und alle Fragen auf politischem Wege zu klären.

Der Sprecher von Putin, Dmitri Peskow, erklärte am Montag, die Entscheidung, Assad und seine Familie in Moskau aufzunehmen, habe der russische Präsident persönlich getroffen. Ein Treffen von Putin und Assad sei nicht geplant. Zuvor hatte der Kreml bekanntgegeben, dass Assad mit seiner Familie in Moskau angekommen sei. Assad habe „aus humanitären Gründen“ politisches Asyl erhalten.

Vom Top-Terroristen zum Hoffnungsträger

Der Umsturz in Syrien war in den letzten Tagen Top-Thema in den russischen Medien. Dabei war ein melancholischer Unterton nicht zu überhören. Immerhin hatte die russische Luftwaffe – vor allem in den Jahren 2015/16 – die Regierung von Baschar Assad durch Luftangriffe auf islamistisch-terroristische Gruppen unterstützt.

Die Titelschlagzeile der liberalen Tageszeitung Nesawisimaja Gaseta war lakonisch: „Der Fall von Assad-Damaskus“.

Die Schlagzeile auf der Titelseite des liberalen Kommersant lautete, „Syrien wurde zum Schock. Russland verlor Schlüsselpartner im Nahen Osten“. Weiter hieß es, „in der Hochphase des ukrainischen Konfliktes droht durch den Sturz von Assad eine neue Front gegen Russland, durch dessen Anstrengungen es gelang, das herrschende Regime (in Syrien, U.H.) und die territoriale Integrität zu bewahren“.

Auf der Titelseite des Massenblattes Moskowski Komsomolez hieß es, „Dunkle Wolken über Syrien“.

Die sehr patriotische Tageszeitung Komsomolskja Prawda brachte Berichte über den Sturz von Assad erst auf Seite vier.

Olga Skabejewa, Moderatorin der täglichen Talk-Show 60 Minuten, sprach am Montagmorgen Klartext. Sie vermeldete, auf der syrischen Botschaft in Moskau sei die Fahne der syrischen Opposition gehisst worden. Der islamistische Top-Terrorist und neue starke Mann in Syrien, Muhammad al-Dscholani, auf den die USA „noch gestern“ zehn Millionen Dollar Lösegeld ausgesetzt hatten, sei heute „gemäßigter Islamist“, so Skabejewa in süffisantem Ton. Zu ihren Worten ließ sie ein paar Sekunden aus dem CNN-Interview mit Muhammad al-Dscholani einblenden, in dem dieser – wie ein versierter Politiker – von der Umgestaltung Syriens spricht.

Fernseh-Moderatorin: „Verrat der Armee-Führung“

Die syrische Armee sei „zu den Aufständischen übergelaufen“, erregte sich Skabejewa. Der Grund sei „Verrat in der Armee-Führung“ von Syrien. Die Moderatorin zitierte aus dem britischen Guardian. Der hatte angeblich gemeldet, dass die syrische Armeeführung die Soldaten aufgerufen habe, gegen die Aufständischen „keinen Widerstand zu leisten“.

Wadim Kosjulin, Militärexperte an der Moskauer Diplomatischen Akademie, sah das mit dem „Verrat“ der Armee-Führung etwas differenzierter. Er meinte gegenüber dem Internetportal Vsglyad, „die Kämpfer von Haiʾat Tahrir asch-Scham (HTS) haben für den Sturz des syrischen Regimes weniger gemacht als Baschar Assad“. Der ehemalige Präsident habe sich „auf den Siegen Mitte der 2010er-Jahre ausgeruht“. Er und seine Mannschaft meinten, dass der Kampf um die Macht beendet sei.

Die syrische Armee sei faktisch nicht modernisiert worden, so der Militärexperte. Sie sei zu einer „Ansammlung von Militärführern geworden, die alle nur ihren eigenen Clan aufbauen wollten. Das gefiel weder den Soldaten noch den einfachen Bürgern der Republik“.

Auf den Einsatz von Drohnen, so der Experte, waren die syrischen Soldaten nicht vorbereitet, „weshalb sie in Panik gerieten“. Wenn diese Behauptung stimmt, sind so vielleicht auch die im russischen Fernsehen gesendeten Bilder zu erklären, wo Berge von chaotisch zurückgelassener Militärkleidung und Kalaschnikows zu sehen waren.

„Kontrolliertes Chaos“

Das russische Internet-Portal Vsglyad zitiert den israelischen Experten für internationale Beziehungen, Simon Tsipis, der meint, die Macht in Syrien sei von Kräften gestürzt worden, „die vom Westen kontrolliert werden“. Weiter sagt Tsipis, „die Tätigkeit der HTS und anderer Organisationen wird von den Geheimdiensten der USA und Großbritanniens unterstützt. Auch Israel war an der Vorbereitung von Spezialisten beteiligt.“

Der Sturz von Assad spiele der Führung Israels in die Hände. Denn Syrien sei „ein traditioneller Gegner“ des israelischen Staates. Jetzt werde Syrien „Schritt für Schritt in einen zerstörten und ausgebluteten Staat verwandelt. Der Westen will ein kontrolliertes Chaos schaffen.“ Israel wird „einfach keinen Gegner mehr haben, der in der Lage ist, einen Angriff auszuführen“.

Für Israel kann Syrien zu einem „Gaza plus“ werden

Der größte Verlierer des Umsturzes in Syrien ist der Iran, meinte der russische Politologe Geworg Mirsajan. Durch den gewaltsamen Machtwechsel falle Syrien für die libanesische Hisbollah als Rückzugsort und Landbrücke zwischen dem Libanon und dem Iran aus.

Für Israel sei der Umsturz in Syrien aber ein zweischneidiges Schwert. Denn mit Baschar Assad habe die israelische Führung in Krisensituationen immer noch reden können. Jetzt könne Syrien mit „seiner Ansammlung von Terroristen und Islamisten“ zu einer Art „Gaza plus“ werden.

Die Fernsehmoderatorin Skabejewa prognostizerte, Syrien drohe das gleiche Schicksal wie Libyen und dem Irak. Man könne nur hoffen, dass das nicht passiert. Der Westen müsse sich auf eine neue Flüchtlingswelle aus Syrien einstellen.

Das nicht einfache Verhältnis zwischen Moskau und Damaskus

Syrien war schon zu Sowjetzeiten einer der wichtigsten Verbündeten Moskaus im arabischen Raum. Die militärische Zusammenarbeit zwischen der Sowjetunion und Syrien begann 1946. 1957 wurde ein Wirtschaftsabkommen zwischen beiden Staaten unterzeichnet. Der Vater von Baschar Al-Assad – Hafiz Al-Assad – genehmigte der Sowjetunion 1971 die Einrichtung eines Marinestützpunktes in der Mittelmeerstadt Tartus. Nach dem Tod seines Vaters im Jahr 2000 wurde Baschar Al-Assad im Juli 2000 mit 97 Prozent der Stimmen zum Präsidenten von Syrien gewählt.

Russland unterstützte Syrien – vor allem 2015/16 – mit seiner Luftwaffe im Kampf gegen terroristisch-islamische Gruppen. Aber das Verhältnis zwischen Moskau und Damaskus ist nicht einfach. Die Politologin Elena Suponina meinte gegenüber dem Internet-Portal Vsglyad:

Wir haben auch Baschar Assad Ratschläge gegeben, aber leider, hat er sie nicht immer befolgt. Im Verhältnis zur Türkei hatte er in Verhandlungen – wie Moskau riet – keine ausreichend flexible Position. Außerdem war er nicht bereit, mit Vertretern der gemäßigten Opposition zu verhandeln.

Titelbild: Andy.LIU / Shutterstock

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Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Russische Medien erinnern dieser Tage an einen Ausspruch von Putin im Jahr 2015. Damals sagte der russische Präsident, man habe die Regierung in Damaskus zu einem Dialog mit der Opposition aufgerufen. Weiter sagte der Kreml-Chef damals, „wir werden nicht mehr Syrier sein als die Syrier selbst“. Das sollte wohl heißen, dass die Hilfsbereitschaft von Russland nicht grenzenlos ist.

Am Sonntagmittag veröffentlichte das russische Außenministerium eine Erklärung, in der es heißt:

Mit äußerster Besorgnis verfolgen wir die dramatischen Ereignisse in Syrien. Im Resultat von Gesprächen, die B. Assad mit einer Reihe von Teilnehmern des bewaffneten Konfliktes auf dem Boden der Syrischen Arabischen Republik führte, hat er die Entscheidung getroffen, das Präsidentenamt zu verlassen und er verließ das Land und er gab den Befehl, die Machtübertragung friedlich durchzuführen. Russland war an diesen Gesprächen nicht beteiligt. Wir fordern alle an dem Konflikt beteiligten Seiten dringend auf, Gewalt zu vermeiden und alle Fragen auf politischem Wege zu klären.

Der Sprecher von Putin, Dmitri Peskow, erklärte am Montag, die Entscheidung, Assad und seine Familie in Moskau aufzunehmen, habe der russische Präsident persönlich getroffen. Ein Treffen von Putin und Assad sei nicht geplant. Zuvor hatte der Kreml bekanntgegeben, dass Assad mit seiner Familie in Moskau angekommen sei. Assad habe „aus humanitären Gründen“ politisches Asyl erhalten.

Vom Top-Terroristen zum Hoffnungsträger

Der Umsturz in Syrien war in den letzten Tagen Top-Thema in den russischen Medien. Dabei war ein melancholischer Unterton nicht zu überhören. Immerhin hatte die russische Luftwaffe – vor allem in den Jahren 2015/16 – die Regierung von Baschar Assad durch Luftangriffe auf islamistisch-terroristische Gruppen unterstützt.

Die Titelschlagzeile der liberalen Tageszeitung Nesawisimaja Gaseta war lakonisch: „Der Fall von Assad-Damaskus“.

Die Schlagzeile auf der Titelseite des liberalen Kommersant lautete, „Syrien wurde zum Schock. Russland verlor Schlüsselpartner im Nahen Osten“. Weiter hieß es, „in der Hochphase des ukrainischen Konfliktes droht durch den Sturz von Assad eine neue Front gegen Russland, durch dessen Anstrengungen es gelang, das herrschende Regime (in Syrien, U.H.) und die territoriale Integrität zu bewahren“.

Auf der Titelseite des Massenblattes Moskowski Komsomolez hieß es, „Dunkle Wolken über Syrien“.

Die sehr patriotische Tageszeitung Komsomolskja Prawda brachte Berichte über den Sturz von Assad erst auf Seite vier.

Olga Skabejewa, Moderatorin der täglichen Talk-Show 60 Minuten, sprach am Montagmorgen Klartext. Sie vermeldete, auf der syrischen Botschaft in Moskau sei die Fahne der syrischen Opposition gehisst worden. Der islamistische Top-Terrorist und neue starke Mann in Syrien, Muhammad al-Dscholani, auf den die USA „noch gestern“ zehn Millionen Dollar Lösegeld ausgesetzt hatten, sei heute „gemäßigter Islamist“, so Skabejewa in süffisantem Ton. Zu ihren Worten ließ sie ein paar Sekunden aus dem CNN-Interview mit Muhammad al-Dscholani einblenden, in dem dieser – wie ein versierter Politiker – von der Umgestaltung Syriens spricht.

Fernseh-Moderatorin: „Verrat der Armee-Führung“

Die syrische Armee sei „zu den Aufständischen übergelaufen“, erregte sich Skabejewa. Der Grund sei „Verrat in der Armee-Führung“ von Syrien. Die Moderatorin zitierte aus dem britischen Guardian. Der hatte angeblich gemeldet, dass die syrische Armeeführung die Soldaten aufgerufen habe, gegen die Aufständischen „keinen Widerstand zu leisten“.

Wadim Kosjulin, Militärexperte an der Moskauer Diplomatischen Akademie, sah das mit dem „Verrat“ der Armee-Führung etwas differenzierter. Er meinte gegenüber dem Internetportal Vsglyad, „die Kämpfer von Haiʾat Tahrir asch-Scham (HTS) haben für den Sturz des syrischen Regimes weniger gemacht als Baschar Assad“. Der ehemalige Präsident habe sich „auf den Siegen Mitte der 2010er-Jahre ausgeruht“. Er und seine Mannschaft meinten, dass der Kampf um die Macht beendet sei.

Die syrische Armee sei faktisch nicht modernisiert worden, so der Militärexperte. Sie sei zu einer „Ansammlung von Militärführern geworden, die alle nur ihren eigenen Clan aufbauen wollten. Das gefiel weder den Soldaten noch den einfachen Bürgern der Republik“.

Auf den Einsatz von Drohnen, so der Experte, waren die syrischen Soldaten nicht vorbereitet, „weshalb sie in Panik gerieten“. Wenn diese Behauptung stimmt, sind so vielleicht auch die im russischen Fernsehen gesendeten Bilder zu erklären, wo Berge von chaotisch zurückgelassener Militärkleidung und Kalaschnikows zu sehen waren.

„Kontrolliertes Chaos“

Das russische Internet-Portal Vsglyad zitiert den israelischen Experten für internationale Beziehungen, Simon Tsipis, der meint, die Macht in Syrien sei von Kräften gestürzt worden, „die vom Westen kontrolliert werden“. Weiter sagt Tsipis, „die Tätigkeit der HTS und anderer Organisationen wird von den Geheimdiensten der USA und Großbritanniens unterstützt. Auch Israel war an der Vorbereitung von Spezialisten beteiligt.“

Der Sturz von Assad spiele der Führung Israels in die Hände. Denn Syrien sei „ein traditioneller Gegner“ des israelischen Staates. Jetzt werde Syrien „Schritt für Schritt in einen zerstörten und ausgebluteten Staat verwandelt. Der Westen will ein kontrolliertes Chaos schaffen.“ Israel wird „einfach keinen Gegner mehr haben, der in der Lage ist, einen Angriff auszuführen“.

Für Israel kann Syrien zu einem „Gaza plus“ werden

Der größte Verlierer des Umsturzes in Syrien ist der Iran, meinte der russische Politologe Geworg Mirsajan. Durch den gewaltsamen Machtwechsel falle Syrien für die libanesische Hisbollah als Rückzugsort und Landbrücke zwischen dem Libanon und dem Iran aus.

Für Israel sei der Umsturz in Syrien aber ein zweischneidiges Schwert. Denn mit Baschar Assad habe die israelische Führung in Krisensituationen immer noch reden können. Jetzt könne Syrien mit „seiner Ansammlung von Terroristen und Islamisten“ zu einer Art „Gaza plus“ werden.

Die Fernsehmoderatorin Skabejewa prognostizerte, Syrien drohe das gleiche Schicksal wie Libyen und dem Irak. Man könne nur hoffen, dass das nicht passiert. Der Westen müsse sich auf eine neue Flüchtlingswelle aus Syrien einstellen.

Das nicht einfache Verhältnis zwischen Moskau und Damaskus

Syrien war schon zu Sowjetzeiten einer der wichtigsten Verbündeten Moskaus im arabischen Raum. Die militärische Zusammenarbeit zwischen der Sowjetunion und Syrien begann 1946. 1957 wurde ein Wirtschaftsabkommen zwischen beiden Staaten unterzeichnet. Der Vater von Baschar Al-Assad – Hafiz Al-Assad – genehmigte der Sowjetunion 1971 die Einrichtung eines Marinestützpunktes in der Mittelmeerstadt Tartus. Nach dem Tod seines Vaters im Jahr 2000 wurde Baschar Al-Assad im Juli 2000 mit 97 Prozent der Stimmen zum Präsidenten von Syrien gewählt.

Russland unterstützte Syrien – vor allem 2015/16 – mit seiner Luftwaffe im Kampf gegen terroristisch-islamische Gruppen. Aber das Verhältnis zwischen Moskau und Damaskus ist nicht einfach. Die Politologin Elena Suponina meinte gegenüber dem Internet-Portal Vsglyad:

Wir haben auch Baschar Assad Ratschläge gegeben, aber leider, hat er sie nicht immer befolgt. Im Verhältnis zur Türkei hatte er in Verhandlungen – wie Moskau riet – keine ausreichend flexible Position. Außerdem war er nicht bereit, mit Vertretern der gemäßigten Opposition zu verhandeln.

Titelbild: Andy.LIU / Shutterstock

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